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Sie haben dem kubanischen Volk den Sacharow-Preis 
verliehen; ich sage das, weil es das kubanische Volk ist, das eine 
solche Anerkennung verdient hat. Dabei schließe ich keinen meiner 
Landsleute aus, was immer seine politische Einstellung ist, denn Rechte 
haben keine bestimmte politische Farbe, unterscheiden sich nicht nach 
Rasse und Kultur. Ebenso wenig haben die Diktaturen eine besondere 
politische Farbe, sie stehen weder rechts noch links, es sind einfach 
Diktaturen. In meinem Land kämpfen Tausende von Männern und Frauen für 
die Rechte aller Kubaner inmitten eines Klimas der Verfolgung. Hunderte 
befinden sich im Gefängnis, nur weil sie diese Rechte proklamiert und 
verteidigt haben. Deshalb nehme ich diese Anerkennung in ihrem Namen 
entgegen. 
Ich sagte, dieser Preis sei für alle Kubaner, weil 
ich annehme, dass Europa ihnen mit dieser Auszeichnung sagen will: „Auch
 Sie haben ein Recht auf Rechte.“ 
Davon waren wir alle überzeugt, aber es gab Zeiten, 
da sah es nicht so aus, als ob diese Wahrheit für viele in der Welt so 
offenkundig wäre. 
Ich bin nicht hierher gekommen, um Unterstützung für
 die Opposition gegen die kubanische Regierung zu erbitten oder um die 
zu verurteilen, die uns verfolgen. Es ist für Kuba keine Hilfe, dass 
sich einige in der Welt aufgrund ideologischer Positionen an die Seite 
der kubanischen Regierung oder an die Seite ihrer Opposition stellen. 
Wir wollen, dass die Menschen für das kubanische Volk, für alle Kubaner,
 Partei ergreifen. Und das bedeutet Unterstützung für die Achtung aller 
ihrer Rechte, für die Öffnung und für die Forderung, dass unser Volk an 
den Urnen zu den von uns verlangten Veränderungen befragt werden soll. 
Wir bitten um Solidarität, um zu erreichen, dass unser Volk an den Urnen
 entscheiden kann, wie es das Varela-Projekt vorschlägt. 
Viele haben diesen Preis mit dem Varela-Projekt in 
Verbindung gebracht, und sie haben Recht, denn die vielen tausend 
Kubaner, die trotz der Repression diese Petition zur Durchführung eines 
Referendums unterzeichnet haben, leisten einen entscheidenden Beitrag zu
 dem Wandel, den Kuba benötigt. Dieser Wandel würde die Teilnahme am 
wirtschaftlichen und kulturellen Leben bedeuten, politische und 
Bürgerrechte und die nationale Aussöhnung einschließen. Es wäre eine 
echte Wahrnehmung der Selbstbestimmung unseres Volkes. Es muss Schluss 
sein mit dem Mythos, dass wir Kubaner ohne Rechte leben müssen, um die 
Unabhängigkeit und Souveränität unseres Landes aufrecht zu erhalten. 
Pater Félix Varela lehrte uns, dass Unabhängigkeit 
und nationale Souveränität untrennbar mit der Ausübung der Grundrechte 
verbunden sind. Wir Kubaner, die wir in Kuba und im Ausland leben, haben
 als ein Volk den Willen und die Fähigkeit, eine demokratische, gerechte
 und freie Gesellschaft ohne Hass und Rache zu errichten, so wie es sich
 José Martí erträumte: „Mit allen und für das Wohl aller.“ 
Wir haben den friedlichen Weg nicht aus taktischen 
Gründen gewählt, sondern weil er untrennbar mit dem Ziel unseres Volkes 
verbunden ist. Die Erfahrung lehrt uns, dass Gewalt Gegengewalt 
hervorruft und dass die politischen Veränderungen, wenn sie auf diesem 
Wege vollzogen werden, neue Formen von Unterdrückung und Unrecht 
hervorrufen. Wir wollen, dass Gewalt und Zwang nie wieder den Weg zur 
Überwindung von Krisen und ungerechten Regierungen bilden. Dieses Mal 
wird uns der Wandel durch diese Bürgerbewegung gelingen, die schon jetzt
 eine neue Etappe in der Geschichte Kubas eröffnet, in der Dialog, 
demokratische Mitwirkung und Solidarität bestimmend sind. So werden wir 
einen echten Frieden schaffen. 
Die heldenhaften kubanischen Bürgerrechtler, die 
Bürger, die das Varela-Projekt unterzeichnen, tragen keine Waffen. Wir 
haben keine einzige Waffe. Wir strecken beide Hände aus und reichen sie 
allen Kubanern als Brüder und allen Völkern der Welt. Der erste Sieg, 
den wir verkünden können, lautet, dass wir keinen Hass im Herzen tragen.
 Deshalb sagen wir jenen, die uns verfolgen und uns zu beherrschen 
trachten: Du bist mein Bruder, ich hasse dich nicht, aber du wirst mich 
nicht weiter durch Angst bezwingen, ich will dir meine Wahrheit nicht 
aufzwingen, und ich will nicht, dass du mir deine aufzwingst, lass uns 
gemeinsam die Wahrheit suchen. 
Das ist die Befreiung, die wir proklamieren. 
Manch einer verficht noch immer den Mythos der 
Trennung zwischen den politischen und Bürgerrechten auf der einen Seite 
und der Fähigkeit einer Gesellschaft, soziale Gerechtigkeit und 
Entwicklung zu schaffen, auf der anderen. Sie schließen einander nicht 
aus. Das Fehlen ziviler und politischer Rechte in Kuba hat zu 
gravierenden Konsequenzen geführt wie der Ungleichheit, Armut für die 
Mehrheit der Bevölkerung, Privilegien für eine Minderheit, 
Verschlechterung einiger Dienstleistungen, auch wenn sie als humane und 
positive Systeme konzipiert sind. Somit existiert heute, obwohl viele 
Kubaner über Jahre mit Hingabe und ehrlich gearbeitet haben, neben einer
 wachsenden Ungleichheit und einer immer schlechter werdenden 
Lebensqualität für die Mehrheit, eine schwierige Situation in der Frage 
der politischen und Bürgerrechte. Mehr noch, den Bürgern werden die 
Hände gebunden, sodass die gewaltigen Potenziale an Fleiß und 
Kreativität der Kubaner nicht zum Tragen kommen können. Hier liegt die 
Hauptursache für unsere Armut. 
Diese Situation lässt sich nicht durch die 
Behauptung rechtfertigen, das kubanische Volk habe dieses System selbst 
gewählt. Sie wissen, dass keines der Völker, die in diesem Parlament 
vertreten sind, kein Volk der Welt, jemals auf die Ausübung seiner 
Grundrechte verzichten würde. 
Es zeigt sich immer deutlicher, dass der 
wirtschaftliche und soziale Wohlstand und Fortschritt die Frucht der 
Wahrnehmung der Rechte sind. Gleichzeitig ist eine Demokratie nicht echt
 oder nicht vollkommen, wenn sie nicht in der Lage ist, einen Prozess 
zur Erhöhung der Lebensqualität aller Menschen einzuleiten und 
aufrechtzuerhalten. Denn kein Volk übt sein freies Wahlrecht aus, um 
sich für Armut und Ungleichheit zu entscheiden, die den großen Massen 
Nachteil und Ausgrenzung bringen. Unsere lateinamerikanischen Völker 
fordern eine wirkliche Demokratie, in der Gerechtigkeit geschaffen 
werden kann. Es ist skandalös, dass im Namen der Effektivität Methoden 
angewendet werden, die Krisen überwinden und die Armut besiegen sollen, 
aber in Wirklichkeit die Armen zu Grunde zu richten drohen. 
Es liegt nicht in meiner Absicht, neue Positionen 
oder Modelle zu verkünden, aber unser Volk hat unter verschiedenen 
politischen und wirtschaftlichen Systemen gelebt und gelitten. Heute 
wissen wir, dass jede Methode oder jedes Modell, das sich auf der 
vermeintlichen Suche nach Gerechtigkeit, Entwicklung oder Effektivität 
über den Menschen stellt oder eines der Grundrechte beseitigt, zu 
irgendeiner Form von Unterdrückung und zur Ausgrenzung und die Menschen 
in die Katastrophe führt. Wir wollen von hier aus unsere Solidarität mit
 allen Menschen in der Welt zum Ausdruck bringen, die unter irgendeiner 
Form von Unterdrückung und Unrecht leiden oder die mundtot gemacht oder 
ausgegrenzt werden. 
Die Menschenrechte sind unteilbar, wie es nur eine 
Menschheit gibt. Wenn heute von Globalisierung die Rede ist, so sagen 
wir voraus und warnen, dass, wenn die Solidarität nicht globalisiert 
wird, nicht nur die Menschenrechte bedroht sind, sondern auch das Recht,
 als Menschheit fortzubestehen. Ohne menschliche Solidarität werden wir 
auch keine saubere Welt erhalten, in der es Menschen zu leben möglich 
ist. 
Deshalb glaube ich in aller Bescheidenheit, dass 
statt neuer Modelle in den Gesellschaften und in den Beziehungen 
zwischen den Ländern ein neuer Geist notwendig ist. 
Dieser neue Geist muss seinen Ausdruck in 
Solidarität, Zusammenarbeit und Fairness in den Beziehungen zwischen den
 Ländern finden und darf die Entwicklung nicht hemmen. Denn wenn die 
Politiken und Modelle der Verwirklichung des Menschen der Errichtung von
 Recht und Demokratie untergeordnet werden, wenn die Politiken 
humanisiert werden, dann wird die Kluft zwischen den Völkern überwunden 
und wir werden eine wirklich menschliche Familie sein. 
Möge unsere Botschaft von Frieden und Solidarität 
von Kuba aus alle Völker erreichen. Alle Kubaner nehmen diesen Preis in 
Würde entgegen, indem wir unserer Hoffnung Ausdruck geben, unsere 
Gesellschaft mit der Liebe aller, als Brüder, als Kinder Gottes neu 
aufzubauen. Wir Kubaner sind einfache, aufrichtige Menschen, wir wollen 
nur in Frieden und von unserer Hände Arbeit leben, aber wir können und 
wollen nicht ohne Freiheit sein. 
Wir richten unsere Hoffnung auf unseren Herrn, der 
in eine bescheidene Krippe gelegt wurde, und dies ist unsere Huldigung 
an Ihn. 
Vielen Dank und Frohe Weihnachten. 
(Die Mitglieder des Parlaments erheben sich und spenden lebhaften Beifall.) | 
Die Arbeitsgruppe "Demokratie für Kuba" wurde 2003 in Berlin gegründet.Wir setzen uns für die Freilassung der politischen Gefangenen und für die Unterstützung der kubanischen Opposition ein .
Christliche Befreiungsbewegung /Movimiento Cristiano Liberación
Dienstag, 30. Oktober 2012
Verleihung des Sacharow-Preises 2002 an Oswaldo Payá
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